"Sicher ist der Einfluß der Umwelt auf uns Menschen eine unbestreitbare Tatsache. Sie hat aber nicht das menschliche Wesen, das wir mit dem Begriff 'Egoismus' charakterisieren, hervorgebracht. Denn so sagt es uns die Bibel (1. Mose 8, 21) - 'das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf'. Für die Pädagogik ist es nun von entscheidender Bedeutung, wie wir den Menschen sehen, welches Menschenbild wir unseren Bemühungen zugrundelegen."
Dieter Velten, Glauben Lehren Erziehen (1), Heft 2, Die Ideologisierung
der Schule und die Alternative des Evangeliums, 1979, S. 11
"Immer müssen wir davon ausgehen, daß der gefallene, sündige Mensch von Kind auf versuchlich ist und in seinen Lüsten und Begierden einen Anknüpfungspunkt und einen unterschwelligen Verbündeten für alle negativen Einflüsse hat."
Lotte Bormuth, Glauben Lehren Erziehen, Heft 4,
Die geheimen Miterzieher unserer Kinder, 1980, S. 19
"Die biblische Sicht vom Menschen verwehrt uns eindeutig die Meinung, als würde der Mensch sich von selbst am besten entfalten. Nein! Der Mensch, sich selbst überlassen, würde geradewegs ins Unglück, ins Verderben rennen. Der Mensch, von Gott geschaffen, auf Gott hin bezogen, ist durch die Sünde von Gott abgefallen und lebt in der Gottesferne. Er ist erlöst durch Jesus Christus, doch gilt es nun diese Erlösung anzunehmen; ohne Jesus Christus ist der Mensch verloren, sein Leben sinnlos."
Otto Schaude, Glauben Lehren Erziehen, Heft 5,
Mit der Bibel aufwachsen, 1980, S. 8
"Wohl ist eine gesunde biblische Lehre für das Kind wichtig. Doch ist uns Gottes Wort nicht erstlich gegeben, um unseren Wissensstand zu erweitern, um etwas klügere oder religiöse Leute aus uns zu machen, auch nicht, um neue Denkanstöße zu erhalten, sondern um zu einem Leben mit Jesus zu rufen. Es geht um Leben und Tod, um Gerettet- oder Verlorensein. Es geht um die Annahme der Erlösung durch Jesus."
Otto Schaude, Glauben Lehren Erziehen, Heft 5,
Mit der Bibel aufwachsen, 1980, S. 14
"'Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf daß du lange lebst in dem Lande, das dir der Herr, dein Gott, gibt' (2. Mose 20, 12). Diese grundlegende Stelle sowie zahlreiche andere Stellen (3. Mose 19, 3) legen Gottes gute Ordnung für die Kinder dar: Die Kinder sollen die Eltern ehren. [...] Nicht außer acht gelassen werden darf die Linie im Alten Testament, daß derjenige unter den Fluch Gottes fällt, der seine Eltern verunehrt oder ihnen flucht - ja ein solches Kind mußte sterben! (2. Mose 21, 15. 17; 5. Mose 27, 16; Spr. 20, 20). Wieviele Kinder verlieren tatsächlich zutiefst das innerste Leben, indem sie sich gegen die Eltern stellen."
Otto Schaude, Glauben Lehren Erziehen, Heft 1,
Die Familie nach der Bibel, 1979, S. 27
"Denn lernt der Mensch nicht verzichten, bleibt er sein Leben lang schwach, ein Spielball unsteter Launen und Begierden, schutzloses Zielobjekt aller Versuchungen. Lernt er es nicht frühzeitig, ist viel versäumt. Er wird die Lektion unter Schmerzen nachholen müssen - oder er wird sie eben nicht mehr lernen."
Max König, Glauben Lehren Erziehen, Heft 7,
Seelische Gesundheit und christliche Erziehung, 1982, S. 29
"Der Mensch ist auf Freude hin angelegt. Aber auch hier gilt, was schon beim Verzichten-Können gesagt worden ist: Die Freude ist meist nicht einfach da. Man muß selbst etwas dazu tun. Man kann lernen sich zu freuen."
Max König, Glauben Lehren Erziehen, Heft 7,
Seelische Gesundheit und christliche Erziehung, 1982, S. 30
"Mache es deinem Kind durch dein Vorbild leicht, Christ zu werden! Laß Gott dein und deiner Familie Leben nach geistlichen Grundsätzen prägen, und laß diese Grundsätze auch deinen Kindern bekannt werden! Sorge für eine biblisch klare und zur Entschiedenheit führende Unterweisung! Aber werde deinem Kind nicht mit frommen Sprüchen lästig!"
Werner Stoy, Glauben Lehren Erziehen, Heft 3, Wie wird die Familie neu?, 1980, S. 19
"Der Gehorsam Gott gegenüber ist eine grundlegende Voraussetzung für jeden Glauben. 'Nur der Gehorsame glaubt' (Bonhoeffer). Der Glaube zeigt sich kronket im Gehorsam Gottes Wort gegenüber. Doch auch dieser Gehorsam entsteht nicht im luftleeren Raum, sondern wächst und bewährt sich in konkreten Alltagssituationen.
Da dieser Gehorsam keinem Menschen leicht fällt, stellt Gott jeden Menschen in diese Schule, um ihn von klein auf lernen zu können. Es hat ihm gefallen, den Menschen wegen der Wichtigkeit des Gehorsams von frühesten Jahren an in dieses Bewährungsfeld hineinzustellen. Wer Eltern gegenüber nicht Gehorsam gelernt hat, wird schwerlich Gottes Wort gehorchen können! Kinder sehen Gott nicht, um aber den Gehorsam lernen zu können, gibt Gott ihnen die Eltern als sichtbares Gegenüber. Die persönliche Beziehung eines Kindes zu Jesus wächst in dem Maße, in dem es fähig wird, zu gehorchen und diesen Gehorsam seinen Eltern gegenüber erweist. Ein gehorsames Kind ist ein glückliches Kind, weil es dem Herrn gefällt. Ungehorsam kommt nicht aus dem Heiligen Geist. Williger Gehorsam, gegründet auf Ehrfurcht den Eltern und Gott gegenüber, ist die entscheidende Tugend des Kindes. Im Grund ist aller Gehorsam den Eltern gegenüber indirekt Gehorsam gegen Gott, denn hier lernt ein Kind ein Grundgesetz geistlichen Lebens."
Kurt Heimbucher/Otto Schaude, Glauben Lehren Erziehen, Heft 6,
Alt und jung - wir gehören zusammen!, 1981, S. 33
Die in diesen Zitaten skizzierten Anschauungen illustrieren die Grundlage der Arbeit des Gnadauer Pädagogischen Arbeitskreises (2), der 1979 vom damaligen Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes, Kurt Heimbucher gegründet wurde. 1988 legte der Arbeitskreis die Erklärung "Christliche Erziehung in einer pluralistischen Gesellschaft" (3) vor. Hier finden wir dieselben Ziele und Inhalte wie in den vorstehenden Zitaten wieder.
"Grundlage christlicher Erziehung ist das biblische Menschenbild" heißt es dort. Der biblischen Offenbarung wird ein Primat vor jeder anderen Erkenntnisquelle gegeben:
Christliche Erziehung wird durch das in der Bibel geoffenbarte Wort Gottes bestimmt. Davon lässt sich der Erzieher in seinem Verhältnis zum Kind primär leiten. Biologische, emotionale, soziale oder gesellschaftlich-politische Aspekte der Erziehung sind dieser Bestimmung untergeordnet.
Damit immunisieren sich die Mitglieder des Arbeitskreises gegen jede Kritik ihrer Positionen, denn ein Infragestellen der Prämissen ihrer erzieherischen Anschauungen lässt sich so äußerst bequem und ohne argumentative Anstrengung als unzulässige Kritik an der göttlichen Autorität zurückweisen. Konsequenterweise werden in der gesamten Erklärung an keiner Stelle andere Quellen als die Bibel als Grundlagen für pädagogisches Handeln genannt. Eine Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen aus Psychologie, Soziologie oder Pädagogik ist nicht erkennbar. Eine solche Haltung mag zu Zeiten Luthers vielleicht noch verständlich gewesen sein. Heute kann man sie nur als unverantwortlich bezeichnen.
Auch, dass Christsein Ziel der Erziehung zu sein hat, wird in der Erklärung explizit formuliert:
Alle Teilziele christlicher Erziehung sind orientiert an dem Gesamtziel, das Gott mit dem Menschen hat: Er soll zu seiner schöpfungsgemäßen Bestimmung. d. h. in die Gemeinschaft vor Gott zurückfinden. Dabei geht es um eine grundsätzliche Veränderung seines Denkens, Fühlens und Handelns: Die Kinder sollen Jesus als Herrn und Heiland kennen lernen und durch ihn Gott als Schöpfer und Vater. Sie sollen in eine persönliche Beziehung zu Gott kommen und lernen, als Christen in unserer Gesellschaft zu leben und Verantwortung zu übernehmen. (4)
Zwar wird einschränkend bemerkt, dass "der letzte Schritt zu Gott ... in die Verantwortung des zu Erziehenden selbst gelegt" sei. Doch wird schon durch diese verräterische Formulierung sowie durch die Fülle der Ausführungen darüber, wie der "Erzieher ... auf das Gesamtziel ... vorbereitend hinarbeiten" soll, unmissverständlich deutlich, dass das Kind im Rahmen einer christlichen Erziehung keine Alternative zum Glauben hat. Die religiöse Indoktrination von Kindern ist nicht Entgleisung sondern pädagogisches Programm.
Dies ist der problematischste Aspekt der Gnadauer Pädagogik und wirft die Frage auf, ob man das Christentum Gnadauer Prägung überhaupt als Religion sondern nicht angemessener als Erziehungssystem verstehen sollte. Schließlich spricht es Otto Schaude in dem oben zitierten Text unmissverständlich aus: Ohne Gehorsamstraining in der Erziehung ist christlicher Glaube schwerlich möglich. Dass den Eltern hier die Rolle der Stellvertreter Gottes zugewiesen wird, kann man allerdings nur als Hybris bezeichnen. Bedenklich stimmt außerdem, dass angesichts der angeblichen Notwendigkeit des Gehorsamstrainigs für die Erlangung des ewigen Heils, die Gefahren einer Gehorsamserziehung für das Diesseits der Kinder und späteren Erwachsenen in verantwortungsloser Weise ausgeblendet werden.
Darüber hinaus macht dieser Text deutlich, dass die Existenz Gottes für den christlichen Glauben offensichtlich überhaupt nicht erforderlich ist, denn es ist ja gar nicht Gott, dem wir glauben/gehorchen, sondern es sind zunächst die Eltern und später dann die Autoren der Bibeltexte, die Pastoren, Prediger, Theologen und sonstigen Autoritätspersonen, die die Macht haben auszulegen, was Gottes Wille ist. Die kindliche Konditionierung auf den Gehorsamsreflex soll dabei sicherstellen, dass diese Autoritäten und ihre Identifizierung mit Gott nicht hinterfragt werden.
So ist es auch nur konsequent, dass der Gehorsam als Eziehungsziel (und nicht etwa als Erziehungsmittel) bei den Teilzielen einer christlichen Erziehung in der Erklärung des Gnadauer Pädagogischen Arbeitskreises aufgeführt wird, die auch an die übrigen oben angeführten Zitate nahtlos anschließen:
Wahrhaftigkeit, Verantwortung, Vertrauens- und Friedensfähigkeit, Toleranz, Liebe, Geduld, Leistungsfähigkeit, Kreativität, Selbstannahme als Geschöpf Gottes, Gehorsam, Verzicht, Ausdauer, Lernbereitschaft, Gerechtigkeit, Bereitschaft zum Dienst für andere, Hoffnung. (5)
Dieser Zielkatalog, der sogar Kreativität, Lernbereitschaft, Vertrauensfähigkeit und Hoffnung zu Erziehungszielen erklärt (obwohl es gerade viele Erzieher waren und sind, die diese primären kindlichen Fähigkeiten durch Misstrauen, Gehorsamsforderung, Bestrafung, Überforderung, Perfektionismus und Kindesmisshandlungen zerstören), erinnert doch arg an die schwarze Pädagogik, die davon ausgeht, dass alles Gute vom Erzieher her dem primär unfähigen und zum Unguten neigenden Kind anerzogen werden müsse. Diese Ziele sind allerdings auf der Grundlage des biblischen Menschenbildes, welches dem Menschen die alleinige Verantwortung für Bosheit, Scheitern und Unfähigkeit zuschreibt und im Gegenzug Gott als ausschließliche Quelle des Guten, Schönen, Gelingenden, Kompetenten, Aufbauenden, Wertvollen versteht und den Erzieher zum Stellvertreter Gottes ernennt, folgerichtig und alternativlos.
Hier rächt es sich, dass die Berücksichtigung moderner Erkenntnisse aus Psychologie, Neurobiologie, Pädagogik etc. über die Entwicklung des Menschen vom Embryo zum Erwachsenen zugunsten der selbstgewählten Beschränkung auf ein mehrere tausend Jahre altes Buch so konsequent verweigert und menschliche Empathie durch Gehorsam aus Gottesfurcht ersetzt wird. Ausbaden müssen dies jedoch nicht die Erzieher, sondern die Kinder.
(1) "Glauben Lehren Erziehen" war eine Schriftenreihe des Gnadauer Pädagogischen Arbeitskreises.
(2) Nachtrag 2014: Der Pädagogische Arbeitskreis wurde inzwischen umbenannt in Arbeitskreis Erziehung und Bildung. Nachtrag 2018: Auf der Website des Verbandes, Stand 25.1.2018 ist der Arbeitskreis nicht mehr aufgeführt.
(3) Nachtrag 2014: Die ursprüngliche Fassung dieser Erklärung von 1988 war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels unter http://www.gnadauer.de/p_veroeffentlichung.htm veöffentlicht. Mittlerweile wurde sie durch eine Version von 2005 ersetzt. Die hier zitierten Passagen aus der 1988er Version stimmen jedoch bis auf zwei unwesentliche Änderungen mit der aktuellen Fassung überein.
(4) Nachtrag 2014: Die Formulierung "Gemeinschaft vor Gott" wurde in der Fassung von 2005 durch "Gemeinschaft mit Gott" ersetzt, wodurch im Wesentlichen nur eine etwas altertümlich frömmelnde Ausdrucksweise modernisiert wurde.
(5) Nachtrag 2014: Der Begriff "Leistungsfähigkeit" wurde in der Fassung von 2005 durch "Leistungsbereitschaft" ersetzt. Dadurch wird die von mir kritisierte Auffassung sogar noch verschärft, denn das Ersetzen einer Fähigkeit durch eine Bereitschaft verstärkt den moralisierenden Charakter der Aussage und unterstellt, dass die Bereitschaft zur Leistung dem Kind erst durch zielgerichtetes Handeln des Erziehers anerzogen werden müsse.
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