Unseren Glauben vor aller Welt mutig zu bekennen, das wurde uns frommen Jungscharlern als etwas außerordentlich Wichtiges dargestellt. Nur der konnte ein richtiger Christ sein, der sich zu Jesus jederzeit mutig bekannte.
Jedoch, Zeugnis für Christus abzulegen war, so hörten wir, mit großem Leiden verbunden. In ständigen Wiederholungen und Variationen wurde uns die Botschaft vermittelt, daß, wer sich offen zu Jesus bekenne, geschmäht, verhöhnt und verspottet werde. Nachdem wir so verängstigt worden waren, wurde uns die Lüge aufgetischt, Jesus würde uns helfen "unsere eigene Feigheit und Ängstlichkeit" zu überwinden. Wenn wir den geforderten Bekennermut dann nicht aufbrachten, ging das wieder auf unser Schuldkonto, denn entweder waren wir so feige, daß wir trotz Gottes Hilfe (die wir aber gar nicht spürten) nicht bekennen wollten, oder aber die Hilfe war ausgeblieben, was aber doch nur bedeuten konnte, daß wir nicht in der richtigen Beziehung zu Gott standen, daß wir nicht recht glaubten und wohl noch nicht richtig bekehrt waren.
Was uns blühte, wenn wir zu feige zum Bekennen waren, konnten wir in der Heiligen Schrift nachlesen:
Wer sich aber meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich der Menschensohn auch schämen, wenn er kommen wird in seiner Herrlichkeit und der des Vaters und der heiligen Engel. (Lukas 9,26)
In den Jungscharzeitschriften "die junge schar" und "Die Spur" (1) finden sich einige schriftliche Zeugnisse, die zeigen, wie wir Christenkinder in diesen Teufelskreis aus Angst und Schuld eingesponnen wurden:
Jesus wünscht sich solche Jungen und Mädchen, die in brenzligen Situationen nicht den Kopf in den Sand stecken und dann so tun, als ob. Er sucht Jungscharler, die den Mut haben, sich offen vor andern Menschen zu ihm zu bekennen, auch wenn sie deswegen schief angesehen werden. Die Geschichte des Petrus zeigt uns, daß wir mit Jesu Hilfe unsere eigene Feigheit und Ängstlichkeit überwinden können. (Klaus-Jürgen Diehl, die junge schar 5, 1974)
Vor allem aber wünsche ich dir, daß Jesus dich so gebrauchen und einsetzen kann, wie er damals beim Einzug in Jerusalem den Esel als geduldiges Reittier gebrauchen konnte. Wer bewußt auch als Jungscharler schon mit Jesus leben will, den werden andere Jungen und Mädchen hin und wieder für einen "dummen Esel" halten. Aber laß dich lieber um Jesu willen einen "dummen Esel" nennen, als danach zu streben, ein "großes Tier" ohne Jesus zu werden. (Klaus-Jürgen Diehl, die junge schar 12, 1974)
Sicher haben dich Jungen und Mädchen aus deiner Umgebung auch schon nach der Jungschar gefragt. Sei mal ehrlich: Hast du dabei nicht auch wie die Katze um den heißen Brei herumgeredet? Ich wünsche dir den Mut, dich vor anderen offen zu Jesus zu bekennen, wenn du gefragt wirst, warum du in die Jungschar gehst oder andere dahin einlädst. (Klaus-Jürgen Diehl, die junge schar 1, 1974)
Warum das alles?
Er reiste viel. Lange Fußmärsche gehörten dazu. Gefahrvolle Seereisen waren ebenso im Programm wie Abenteuer mit wilden Tieren. Er lernte viele Menschen kennen und wurde nicht immer freundlich von ihnen behandelt. Neben viel Gastfreundschaft stand die Feindschaft vieler. Glühender Haß bedrohte ihn. Sein Leben stand oft auf dem Spiel. Eine ganze Reihe Gefängnisse sah er von innen. Manchesmal bewarf ihn die tobende Menge mit Steinen. Mehr als einmal sollte er gelyncht werden. Verschwörungen wurden gegen ihn angezettelt. Meuchelmörder wurden gedungen. Gerichte in verschiedenen Städten beschäftigten sich mit ihm. Einige Male wurde er zur Auspeitschung verurteilt und gefoltert. Hunger und quälender Durst waren seine Begleiter auf seinen Reisen.
Warum? Wer war er? Ein Revolutionär? Ein Stadtguerilla?
Er sagt, warum er so ein Leben führte: "Ich schäme mich des Evangeliums von Christus nicht!" (Röm. 1, 16).
Wer sagt das? Paulus.
Gleich ihm tun das noch viele. Bis heute.
Karl wird als "grüner Junge" betitelt, weil er nicht mitmacht, wenn unter Kameraden zweideutige Witze erzählt werden. Er sagt, er sei Christ, darum mache er nicht mit.
Karin ist schwarzes Schaf in der Klasse und wird von allen gemieden. Sie hat nicht mitgemacht, als neulich dem Klassenlehrer was vorgelogen werden sollte. "Spielverderberin! Tugendschaf!" zischt man, wenn sie in die Klasse kommt. Sie wolle als Christin nicht lügen, gab sie als Begründung an.
Der Biologielehrer sagte, daß Gott alles geschaffen habe, sei eine Dummheit, die man nur noch alten Leuten und kleinen Kindern erzähle. Wer noch daran glaube, hätte ein Brett vorm Kopf. Rudi stand auf und sagte, er glaube daran, daß Gott Schöpfer sei. Er wurde vom Lehrer fertig gemacht. Die Klasse lachte.
Kirsten mogelt nicht. Sie ist dafür bekannt in der Klasse. Auch sie sagt, sie würde das nicht tun, weil sie Christus folgen wolle. Die andern spötteln: "Unsere Heilige".
Ulrike lädt in der Klasse zur Jungschar ein. Sie hat schon öfter Absagen bekommen. Sie tut es immer wieder, obwohl die andern sagen, sie hätte einen "Jungscharfimmel".
Paulus und sie alle schämen sich des Evangeliums von Christus nicht.
Und du?
(Frieder, Die Spur 7/8, 1971)
Und Ich? Ich habe mich des Evangeliums geschämt. Ich hatte einfach eine Heidenangst davor, so verachtet und niedergemacht zu werden. Wahrscheinlich, so denke ich heute, ist nie ein Jungscharler so sehr verspottet worden, wie wir uns das in unseren angestachelten Ängsten vorgestellt haben. Das Ziel unserer Jungscharleiter und Mitchristen war es offenbar, einen Keil zwischen uns und unsere unfrommen Mitmenschen zu treiben. Wir sollten einsam werden, um umso mehr auf Jesus und die Gemeinde angewiesen zu sein. Wir sollten leiden und "unser Kreuz auf uns nehmen".
Ich habe geglaubt, daß mutiges Bekennen heilsnotwendig sei. Und daß ich das nicht konnte, war ein wesentlicher Grund, weswegen ich daran zweifelte, daß ich im Stande der Gnade lebte.
(1) "Die Spur" und "die junge schar" waren gemeinsame Jungscharzeitschriften des EC-Verbandes und des CVJM aus den 60er und 70er Jahren des 20.Jahrhunderts. Der EC-Verband nennt sich heute Deutscher Jugendverband "Entschieden für Christus". Zu Klaus-Jürgen Diehl siehe auch diese Anmerkung.
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